Wer in diesen Tagen einen Blick in den Online-Store von Apple wirft, wird sich wundern: Knapp eine Woche nach der Präsentation der neuen iPhones 6s und 6s Plus, sind beide Modelle ohne jegliche Lieferzeit vorbestellbar. Die Auslieferung erfolgt am 25.09.2015. Am selben Tag wird die neue Modellreihe auch direkt in den Apple Stores erhältlich sein.

Diese hohe Verfügbarkeit ist eine Premiere für Apple. Wer sich schon länger mit der Marke beschäftigt, weiß daß man sich normalerweise wochenlang gedulden muß, um an sein neues Gadget zu kommen.

Woran liegt die offenbar schleppende Nachfrage?

Das Update fällt in diesem Jahr besonders klein aus. Rein äußerlich lassen sich das iPhone 6s und 6s Plus kaum von ihren Vorgängern unterscheiden, wenn man mal von der neu hinzu gekommenen Farbe "Roségold" absieht.

Im Inneren stecken eine Reihe kleinerer Verbesserungen: Um kein zweites "Bentgate" zu riskieren, verwendet Apple diesmal eine etwas stabilere Aluminium-Legierung.

Die Auflösung der Hauptkamera steigt auf 12 Megapixel, die der Frontkamera auf 5 Megapixel. Erstmals können auch 4k-Videos mit dem iPhone aufgezeichnet werden - bei anderen Herstellern längst üblich. An die gestochen scharfen Aufnahmen eines Sony Xperia Z5 mit 23 Megapixel-Kamera kommt Apple aber nicht annähernd heran. Eine Auflösung unter 16 Megapixeln ist heutzutage für ein Flaggschiff-Smartphone eher unüblich.

Als größte Innovation feiert Apple sein neues "3D-Touch"-Display. Ähnlich der Apple Watch kann der Bildschirm des 6s verschieden starken Druck unterscheiden. Wärend bei der Apple Watch lediglich zwei Stufen, also leichtes Antippen und starker Druck unterschieden werden, registriert das iPhone 6s drei Stufen. Dies soll zum Beispiel zusätzliche Kontext-Menüs zu jedem App-Icon auf dem Homescreen ermöglichen.

Bemerkenswert, daß die Apple-Fan-Presse einmal mehr die Darstellung von Apple-Chef Tim Cook kritiklos aufgreift und das Ganze als Bedienungs-Revolution mit vorher nie gekannten Möglichkeiten anpreist...

Nun mag ja "Force-Touch", wie sich diese Technologie nennt, tatsächlich in keinem anderen Smartphone zu finden sein, dreistufige Touch-Aktionen sind jedoch für viele Smartphone-Nutzer aus dem Android-Lager ein alter Hut - und nicht weniger intuitiv zu bedienen.

Für eingefleischte Apple-Nutzer sei das kurz erklärt: Die erste Stufe bei vielen Androiden nennt sich "Air-View". Hierzu muß der Finger das Display nicht berühren, er wird registriert, sobald er sich wenige Millimeter über der Oberfläche befindet. Hiermit läßt sich zum Beispiel eine Vorschau des Fotoalbums anzeigen, über dessen Icon der Finger gerade schwebt, ebenso läßt sich in der Liste der eingegangenen Emails eine Vorschau anzeigen, ohne die einzelne Mail öffnen zu müssen.

Weiterhin unterscheidet Android zwischen einer kurzen und einer längeren Berührung des Bildschirms, wobei sich die Zeitdifferenz vom Nutzer anpassen läßt. - Hier würde man den Unterschied zum iPhone wohl nicht mal merken, denn ein leichtes Antippen und ein kräftiger Druck unterscheiden sich naturgemäß auch in der Zeitdauer der Berührung.

Hier hat Apple das Rad also ein zweites Mal erfunden. Sicher werden einige weitere Hersteller die neue Technologie im Laufe der Zeit adoptieren, ein Gewinn an Funktionalität ist sie freilich nicht.

Kommen wir noch kurz zum Thema Speicher: Obwohl wie oben erwähnt 4k-Videos bei Apple Einzug halten, beginnt die Modellreihe 6s weiterhin mit 16GB Flash-Speicher. Anders als bei vielen iPhone-Konkurrenten fehlt jedoch der Slot für eine zusätzliche Speicherkarte, weshalb die 16GB deutlich zu knapp bemessen sind. Für die nächst höhere Speicherausstattung von 64GB verlangt Apple satte 110 Euro Aufschlag. (Der verwendete Speicherchip kostet im Großhandel ca. 20 US-Dollar, das entspricht knapp 18 Euro)

Das iPhone 6s ist in der 16GB-Version für 739 Euro, das iPhone 6s Plus für 849 Euro zu haben.

Fazit: Vom Prädikat "innovativ" sind die neuen iPhones weit entfernt. Der Unternehmensgeist des verstorbenen Steve Jobs schwindet, Apple rennt seit mehreren Modellgenerationen nur noch der Konkurrenz hinterher, statt wie früher eigene Akkzente auf dem Smartphone-Markt zu setzen. Sicher, Apples Geräte sind nach wie vor eine solide Anschaffung, wer das Geld dafür aufbringen mag, bekommt ein brauchbares Gadget und wird sich später kaum über seine Kaufentscheidung ärgern. Auch das iPhone 6s wird zahlreiche Käufer finden, ob es an die früheren Verkaufsrekorde anknüpfen kann, ist jedoch äußerst fraglich.