Dieser Beitrag dient der Vertiefung unseres LeitartikelsZahlen mit dem Smartphone – So geht's“, dessen Lektüre wir vorab empfehlen.

 

Wer die Vielzahl der Mobile Payment-Angebote verwirrend findet, befindet sich in guter Gesellschaft. Allzu oft entsteht der falsche Eindruck, daß es sich um einen Flickenteppich unterschiedlichster Systeme handelt, von denen sich keines so richtig durchsetzen mag.

Dabei handelt es sich jedoch weitgehend um fehlerhaftes Marketing der Anbieter: Jeder möchte seiner Kundschaft als besonders innovatives Unternehmen begegnen und gibt seiner Lösung einen eigenen Namen, obwohl letztlich dasselbe Produkt dahinter steckt.
Nicht selten schmückt sich ein Anbieter dabei mit fremden Federn. Prominentestes Beispiel dafür ist Apple Pay in den USA, doch dazu später mehr.

Weltweit gibt es nur zwei wirklich große Akzeptanznetze für Kontaktlos-Zahlungen mit der NFC-Technologie:

  • MasterCard Contactless, auch PayPass genannt, mit der Debit-Variante Maestro
  • VISA Contactless, auch PayWave genannt, mit der Debit-Variante V Pay

Genau wie bei echten Kreditkarten oder Debitkarten akzeptieren Händler häufig beide Systeme.
Der Vollständigkeit halber sei auch American Express Contactless erwähnt, was aber diesseits des Atlantiks nicht sehr verbreitet ist.

Die Wallet-Apps der verschiedenen Anbieter sind in der Lage, eines oder mehrere der vorgenannten Produkte als virtuelle Bezahlkarte zu speichern.
Diese Daten werden dann bei Bedarf an ein entsprechend ausgerüstetes Kassen-Terminal per NFC übertragen.
Dabei erhält der Händler keinerlei Informationen darüber, welche Wallet-App oder sonstige NFC-Lösung (z.B. Sticker) genutzt wird.

Stellen Sie es sich vor wie bei einer „normalen“ Kreditkarte oder Debitkarte aus Plastik: Wenn Sie zum Beispiel mit Ihrer VISA-Karte eine Shopping-Tour durch Los Angeles machen, ist es für die Händler vollkommen egal, ob Ihre Karte aus den USA, Deutschland, oder einem anderen Land kommt. Ebenso egal ist es, welche Bank die VISA-Karte an Sie ausgegeben hat. Entscheidend ist allein, daß der jeweilige Händler Karten mit dem VISA-Logo akzeptiert.

Was das Mobile Payment angeht, so sind derzeit noch die Akzeptanzstellen für PayPass, also das System von MasterCard/Maestro, in der Mehrheit. Der PayPass-Locator listet derzeit NFC-Akzeptanzstellen in 43 Ländern auf. Bei allen dort gelisteten Händlern können Sie mit Ihrer Wallet-App bezahlen, so lange diese eine virtuelle Karte von MasterCard/Maestro enthält.

Um ein paar Beispiele zu nennen, ALDI Nord, die teilnehmenden Händler der Promotion-Aktion „Zahl-einfach-mobil“ in Berlin, Douglas, Karstadt, Kaufhof, Thalia-Buchhandlungen, Starbucks und viele mehr akzeptieren sowohl Maestro als auch V Pay für Kontaktlos-Zahlungen.

Die Wirecard-Bank, mit der alle vier deutschen Netzbetreiber zusammenarbeiten, stellt bei den Wallets von BASE, Telekom und O2 eine MasterCard/Maestro-Karte aus, nur bei Vodafone gibt es eine Karte von VISA/V Pay. Grundsätzlich steht der Zugang zu den Wallet-Apps aber auch anderen Banken und Kartenanbietern frei.

Wichtig zu wissen ist also: Der einzelne Händler schließt keine Verträge mit irgendwelchen Wallet-Anbietern, er schließt sich lediglich über seinen Zahlungsdienstleister an ein bestehendes Kreditkarten-Netzwerk wie PayPass von MasterCard und/oder PayWave von VISA an.
Daher kann auch kein Händler eine abschließende Liste zur Verfügung stellen, welche Wallets von ihm im Einzelnen akzeptiert werden. Zum einen kann er selbst bei deutschen Wallets nicht genau wissen, welche Karten von welcher Bank sich darin befinden, zum anderen ist es unmöglich, alle Anbieter aus besagten 43 Ländern zu kennen.

In Zukunft wird es viele neue Wallet-Lösungen auf dem deutschen Markt geben. Viele Banken entdecken gerade das Thema für sich, hinzu kommt, daß sich auch Smartphone-Hersteller ein Stück vom Kuchen sichern wollen. Hier wären zum Beispiel Google Wallet (zukünftig Android Pay), Samsung Pay und Apple Pay zu nennen.

Die Rolle eines Wallet-Anbieters beschränkt sich im Wesentlichen auf die Kooperation mit den Banken, die dort ihre Karten speichern wollen. Eine Verbindung zu Händlern und Handelsketten besteht allenfalls in Werbe-Aktionen, zum Beispiel wenn die Wallet-App auch Rabatt-Coupons speichern kann.

Die Wahrheit über Apple Pay

Ein Blick in die USA bringt die Fachleute unserer Redaktion regelmäßig zum Schmunzeln:
Da versucht Apple doch tatsächlich den Eindruck zu vermitteln, für Apple Pay eigens hunderttausende Einzelhändler unter Vertrag genommen zu haben.
Zu glauben, Apple hätte zum Start in den USA mal eben 700.000 Einzelhändler gleichzeitig und aus eigener Kraft rekrutiert, ist bei genauer Betrachtung dann doch reichlich realitätsfern...
Daß die handverlesenen Apple-Fanboys im Publikum der kalifornischen Keynotes unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Darbietung Beifall klatschen, ist hinlänglich bekannt, viel schlimmer ist, daß selbst einige Pressevertreter solche Behauptungen kritiklos hinnehmen und ihren Lesern als Wahrheit verkaufen...

Die Wahrheit ist, die Infrastruktur in den Geschäften wird auch in den USA ausschließlich durch Kreditkartenanbieter und Zahlungsdienstleister realisiert, nicht durch irgendwelche Smartphone-Hersteller.
Die hohe NFC-Akzeptanzdichte dort ist das Ergebnis jahrelangen Wachstums.

Apple ist entgegen seiner Selbstdarstellung nicht Vorreiter, sondern gehört tatsächlich zu den letzten Unternehmen, die diese Bezahltechnik auf dem US-Markt anbieten. Banken und die großen Mobilfunk-Provider bieten NFC-Payment dort schon seit vielen Jahren an.
Apple Pay setzt sich also in das gemachte Nest von MasterCard, VISA und American Express und nutzt deren Infrastruktur für den eigenen Erfolg.
Der späte Einstieg hat einen einfachen Grund: Erst mit der aktuellen Modellreihe iPhone 6 und iPhone 6 Plus verfügt Apple über Geräte mit einer NFC-Schnittstelle – und ist damit übrigens der letzte Hersteller weltweit.
Derzeit nützt dieses Feature iPhone-Besitzern außerhalb der USA allerdings nichts, da Apple Pay woanders nicht verfügbar ist. Anderen Anbietern wird der Zugriff auf das Sicherheitselement verwehrt, daher kann auf den iPhones auch keine alternative Wallet-App genutzt werden.

Trotz eingebauter NFC-Antenne bleibt hierzulande also nur ein NFC-Sticker als Option. Dieser bedeutet jedoch keinen Nachteil. – Im Gegenteil, während Apple Pay nur ein Land und nur etwa 1 Mio. Händler erreicht, kann man zum Beispiel mit einem Sticker von mpass weltweit einkaufen und zwar bei einer Anzahl von Händlern im mehrstelligen Millionenbereich! – Für Vielreisende dürfte daher die Wahl recht leicht fallen, selbst wenn Apple Pay irgendwann nach Deutschland kommt.